Etwa 500 Interessierte waren gestern in Marbach an der Donau, um bei einer Podiumsdiskussion über dieses Thema zu diskutieren. Tenor: Gewinner wären die Konzerne, Verlierer die Bauern und Konsumenten.
Die Landwirte Manfred Mitmasser, Franz Wiesbauer, Alois Fröschl und Fritz Gillinger hatten neun Interessenvertreter für die Podiumsdikussion gewinnen können: Biobauer Gottfried Leitner,
Gebietsbäuerin Cornelia Baumgartner, Franz Sinabel (Wifo), Georg Mayer (Arbeiterkammer NÖ) sowie die politischen Vertreter Georg Strasser (ÖVP), Herbert Thumpser (SPÖ), Wolfgang Pirklhuber
(Grüne), Udo Landbauer (FPÖ) und Leo Steinbicher (Team Stronach).
Kurzfristig absagen musste Carmen Wieser von Spar, wegen einer Sommergrippe, so Mitorganisator Fritz Gillinger. Vergeblich angefragt hatte Gillinger auch bei Wirtschaftsminister Reinhold
Mitterlehner und LK-Präsident Hermann Schultes.
Um es gleich vorweg zu nehmen: TTIP- und CETA-Befürworter suchte man an diesem Abend weitgehend vergeblich. Fast alle Anwesenden waren sich einig darüber, dass man die Handelsabkommen nicht
wolle. So sprach gleich zu Beginn in der Bergrüßung Marbachs Bürgermeister Anton Gruber den Besuchern aus der Seele: „Solange man nicht weiß, was in den TTIP Verhandlungspapieren drinsteht, kann
nur gegen das Abkommen sein.“ Einen dahingehenden Beschluss habe der Gemeinderat bereits gefasst.
"Wenn TTIP kommt, gibt es bäuerliche Betriebe bald nicht mehr"
Manfred Mitmasser, Mitorganisator der Veranstaltung, malte ebenfalls ein düsteres Bild: „Wenn TTIP durchgeht, gibt es unsere bäuerlichen Betriebe bald nicht mehr.“ Und der Landeskammerrat vom
Wahlbündnis Freiheitliche und Unabhängiger Bauernbund fügte hinzu: „Wie müssen Europa umkehren weg von der Globalisierung hin zu einem Europa der Regionen und der Menschen.“ Hart ins Gericht ging
Mitmasser mit dem nicht anwesenden Präsident Schultes: „Alles was der Kammerpräsident prophezeit hat, ist schiefgegangen“, meinte der Landwirt.
Gebietsbäuerin Cornelia Baumgartner verfolgt nach eigener Aussage das Ziel „Weg von der Machtwirtschaft, hin zur Marktwirtschaft“. Sie erklärte, warum sie TTIP und CETA für kaum nachvollziehbar
hält und fand dafür die Worte: „Gegen TTIP ist der Bauernkalender ein Präzisionswerk“. Die Bäuerin forderte weiters eine klare Kennzeichnung für Lebensmittel. „Die Konsumenten wollen wissen, was
in den Produkten steckt."
Bäuerlicher Hausverstand
Wolfgang Pirklhuber von den Grünen zitierte aus einer kürzlich u.a. von seiner Partei in Auftrag gegebenen Studie. „Danach sind 2/3 der Landwirte in Österreich gegen TTIP. Das ist bäuerlicher
Hausverstand“, so der Agrarsprecher.
Seine klare Forderung: „Wir wollen die Bereiche Landwirtschaft und Lebensmittel aus den TTIP-Verhandlungen herausnehmen.“ Und er bekräftigte: „Wir wollen TTIP verhindern und CETA stoppen.“
Georg Strasser von der ÖVP meinte in seinem Statement: „Unsere Regionen sind stark, weil regional und global funktioniert. Wenn TTIP da stören sollte, wird man es ablehnen. Strasser konstatierte,
dass die Aufklärung über TTIP und CETA mangelhaft sei. „Da muss die EU noch etwas für die Aufklärung tun.“
Georg Mayer von der Arbeiterkammer ging auf die volkswirtschaftlichen Auswirkungen des Handelsabkommens ein. „In 10 Jahren wird ein BIP-Wachstum von 0,5 % vorhergesagt, d.h. 0,05 % pro Jahr. Da
fragt man sich schon, wozu dann das Ganze. Der Nutzen ist gering, aber das Risiko ungleich höher.
Bürgermeister initieren Volksbegehren gegen TTIP
Bgm. Herbert Thumpser aus Traisen erklärte, dass er gemeinsam mit weiteren SPÖ-Bürgermeistern aus NÖ eine Initiative für ein Volksbegehren auf den Weg gebracht hat. Damit reagiere man auf
die zunehmende Ablehnung und Skepsis der Bevölkerung gegenüber TTIP und CETA.
„Nicht warten, sondern unser Handeln ist die Devise“, so Thumpser unter dem Beifall der Anwesenden. „Bis Juli wollen wir die notwendigen rund 8.500 Unterstützungserklärungen erhalten, um dann das Volksbegehren so rasch wie möglich als Willenskundgebung der österreichischen Bevölkerung einleiten zu können“, so Thumpser weiter.
Die weiteren Initiatoren sind Karin Scheele Landtagsabgeordnete, Rupert Dworak, Bürgermeister von Ternitz, Peter Kalteis, Bürgermeister von Weinburg, Rainer Handlfinger, Bürgermeister von Ober
Grafendorf sowie Renate Gruber, Bürgermeisterin von Gaming. Unter http://www.volksbegehren.jetzt kann die Initiative unterstützt
werden.
Auch FPÖ-Mandatar Udo Landbauer ging auf das geheimnisvolle Zurückhalten von Informationen rund um TTIP ein: „Wenn ich gar nicht weiß, worum es dabei geht, kann ich nur dagegen sein.“ Wie könne
es sein, dass derart wichtige Dinge nicht öffentlich preis gegeben werden. Er schloss mit den Worten: „Man muss TTIP ein Ende setzen.“
Franz Sinabel vom Wifo versuchte eine betriebswirtschaftliche Betrachtung. Die Landwirtschaft werde durch TTIP in Bedrängnis gebracht, so der Fachmann. Vorteile sieht Sinabel dagegen im
Verarbeitungsbereich von Lebensmitteln.
"Palmöl wieder duch Butterfett ersetzen"
Leo Steinbichler vom Team Stronach fehlen klare Stellungnahmen der Agrarlandesräte zu TTIP. „Ich habe noch keine Antwort auf die Frage bekommen, was passiert, wenn TTIP nicht unterzeichnet wird.“ Im Zusammenhang mit seiner Forderung nach einer nachvollziehbaren Lebensmittelkennzeichnung in Österreich zeigte Steinbichler anhand von etlichen Milchprodukten auf, dass heute vielfach Butterfette durch Palmöl ersetzt wird. Dies müsse abgestellt werden.
In der anschließenden Diskussion hieß auch der Tenor im Publikum „Wir wollen kein TTIP“. Immer wieder wurde kritisiert, dass der Öffentlichkeit die Dokumente zu dem Handelsabkommen nicht
öffentlich zugänglich sind. Landwirt Josef Brader, Obmann des Bauernbundes der Landeshauptstadt St. Pölten, fand klare Worte: „Die Verhandlungsführer wissen genau, dass 90 % der Bevölkerung gegen
TTIP sind, aber sie vertreten uns nicht.“